Lyrasekretär, Deutschland, vermutlich Kassel, um 1825

Deutschland, um 1825

Mahagoni, ….holz, Elfenbein, teilweise vergoldet

Maße: 167,5x109x53 cm

Das aus Mahagoni gefertigte Schreibmöbel ist in Form einer Lyra konzipiert. Die vergoldeten Löwentatzen stehen auf einem separat gefertigten Schubladenpostament mit nach außen geschwungenen Vierkantfüßen. Über zwei Schubladen erhebt sich das aufklappbare Schreibfach mit aufwendigem Innenleben. Mehrere kleine Schubladen sind um das zentrale, verspiegelte Fach gruppiert, das nach vorne durch eine kleine Balustrade begrenzt wird und an das Innere eines kleinen Tempels erinnert. Hinter dieser Front sind mehrere Geheimfächer verborgen. Die breite Schublade über diesem Schreibfach leitet über zu dem oberen Abschluss des Sekretärs, der durch seine Frontgliederung und seine halbrunde Form an einen geöffneten Fächer erinnert. Auch diese Front ist aufklappbar und verbirgt ein weiteres großes Fach, das ganz aus der äußeren Ummantelung herausgezogen werden kann.

Ausgehend von den mächtigen vergoldeten Löwentatzen wird der Lyrasekretär seitlich durch je eine aus Palmetten herauswachsende, an ein Füllhorn erinnernde, vergoldete Rahmung begrenzt. Das obere Halbrund ist zudem durch ein vergoldetes Kyma umschlossen.

Der Möbeltypus des Lyrasekretärs hat seinen Ursprung wohl in Österreich und wurde in Deutschland, aufgrund der Komplexität, nur selten aufgenommen. Im Gegensatz zu den verspielten und filigranen Wiener Ausführungen dieses Möbeltypus zeichnen sich die beiden zu belegenden in Deutschland gefertigten Exemplare – jenes im Museum August Kestner in Hannover und das hier besprochene Möbel – durch eine kraftvollere Gestaltung aus.

Dieses Schreibmöbel, das sowohl zum Verfassen als auch zum Aufbewahren von persönlichen sowie administrativen Schriftstücken dienen konnte, verweist durch seine auffällige Silhouette als auch durch mehrere gestalterische Details bereits auf diese Funktionen hin. Die Lyra steht dabei als Sinnbild der Musik- und Dichtkunst, wobei ihre symmetrische Gestalt als Verweis auf die Harmonie als Grundprinzip jeder Philosophie gewertet werden konnte. Die beiderseits des Möbels angebrachten, Füllhörner assoziierenden Rahmungen sind als Hinweis auf unerschöpflichen Wohlstand und Reichtum zu deuten. Die vier Löwentatzen, auf denen das ganze Möbel steht, versinnbildlichen die Idee von Macht und Weisheit des Löwen als „König der Tiere“ und korrespondieren gleichzeitig mit der Wiedergabe der über dem verspiegelten Zentrum des Schreibfaches dargestellten antithetischen Sphingen. Auch diese beiden Mischwesen können als Anspielung auf die in diesem Schreibmöbel aufbewahrten bzw. gefertigten Weisheiten sowie die dort enthaltenen Rätsel gewertet werden. Oberhalb des Zentrums des Möbels wiedergegeben, versinnbildlichen diese Sphingen, entsprechend der oftmals als Wächter fungierenden Mischwesen, den Schutz all des in dem Lyrasekretär Aufbewahrten.

Diese Verknüpfung mit der weiblichen Sphinx als Rätselwesen steht dabei auch in Verbindung mit dem als Fächer gestalteten oberen Abschluss des Möbels – kann doch der Fächer als Sinnbild der weiblichen Koketterie gewertet werden – so dass anzunehmen ist, dass es sich bei diesem Lyrasekretär um ein Damenschreibmöbel handelt.

 

Lit.: Kreisel/Himmelheber, Die Kunst des deutschen Möbels, München 1973, Abb. 335; W.L. Eller, Möbel des Klassizismus, Louis XVI und Empire, Antiquitätenkatalog, München, 2002, S. 239, Abb. [405];

Zu dem Exemplar in Hannover: A. Feulner, Kunstgeschichte des Möbels, Berlin 1927, S. 745, Abb. 648 (dort irrtümlich noch als „Wiener Sekretär“ geführt)